Schlagwörter
Barbaren, Christentum, Dichtung, Gedicht, Gedichte, Lyrik, Poesie, Römer, Rom, Satire, Völkerwanderung, Verse

Oswald Achenbach: Durch den Titusbogen auf der Via Sacra in Rom (1891)
Alarich ante portas
Im Jahr 400 ungefähr,
Da traf den Lucius ein Speer,
Sinkt um, versteht die Welt nicht mehr:
Jetzt haben wir seit fünf, sechs Jahren
Das Christentum im ganzen Land,
Die Liebe gilt auch den Barbaren,
Wir reichen ihnen fromm die Hand.
Ich sitze selbst im Komitee
Für kommunale Friedensfragen,
Der Vorfall tut ein bisschen weh,
Wie kann man sich so schlecht betragen?
Das konnte wirklich niemand glauben,
Dass die Barbaren wieder rauben,
Wir sitzen wöchentlich im Kreis
Und reden uns die Hälse heiß.
Wo haben, dekadenzgeplagt,
Wir als Gesellschaft hier versagt?
Wir gaben ihnen Brot und Spiele,
In Westrom siedelten schon viele.
Und wie der Spieß so in ihm steckt,
Sein langes Holz zum Himmel reckt,
Da merkt er, wie das Sterben schmeckt:
Die Frau ist fort, das Haus geplündert,
Die Kasse leer, der Wachhund tot,
Die ganze Nachbarschaft entkindert,
Der weite Umkreis feuerrot.
Nun gut, das war jetzt erst mal nichts,
Doch werden sie gewiss bald lernen,
Barbarenherzen bar des Lichts,
Die Kruste muss man halt entfernen.
Sie werden sich rasieren, baden,
Die Ware kaufen brav im Laden
Und wie wir Römer, reich und reg,
Sich bilden in der Bibl‘othek.
Mit dieser Zuversicht und Ruh
Tat gern er seine Augen zu –
Das Gute wird am Ende siegen,
Die Ökumene sie umschmiegen…
©Wolfregen