Wie todgeweiht ruht sie dort eingebettet
im Meer, als ob sie bald versinken müsst
und aufginge im Strom, der sie dann küsst
gleich Lethe mit Vergessen in den Tiefen;
im dunklen Wasser, Eiland, wo sie riefen,
des Winters Seelen nach dem bunten Leben,
verklang das letzte Lied, entschläft die Welt
von schwarzen Gondeln, traumhaften Gedanken,
bis einer bringt den stillen Kahn ins Wanken,
Erinnerungen weckt, die darin weben
ein Tuch aus Schönheit, Liebe, das sanft hält,
in Mnemosynes Schoß zum Ufer rettet
und in Kanälen aufschäumt frische Flut,
bis golden sie entsteigt mit neuer Glut…
Ihr Tanz ist ein freudiges Treiben,
Nur Lachen, Musik und Gesang,
An keinem der Orte ein Bleiben
Die Gassen und Ufer entlang;
In Larven, der ernsten Welt ledig,
Zieht lärmend das Volk durch Venedig.
Langsam, zwischen all den bunten,
Eine schwarze Maske geht,
Kurz nur, dann ist sie verschwunden,
Weiter drängt es sich und dreht.
Der Karneval legt seine Hände
Auf alle, macht Diener zu Herrn,
Um Mitternacht ist es zu Ende,
Das scheint jetzt noch unendlich fern;
Die Menge ein Schieben und Drücken,
Sie strömt über Plätze und Brücken.
Eine Gondel ohne Mieter
Fährt darunter stumm hinweg,
Nur die schwarze Maske wieder
Steht als Ruderer am Heck.
Der Abend naht plump, wär er prüde!
Es zieht dich ins Freie hinaus,
Das Herz ist verwundet und müde,
Die Stille, sie sucht sich ein Haus;
Wo ist, was wir suchen und lieben,
Und wo ist die Maske geblieben?
Kirchen, Opern, in Abteien
Keine Menschen, alles leer,
Vorne in den ersten Reihen
Sitzt sie, dreht sich zu dir her.
Im Ballsaal, dem cremeweiß barocken,
Schritt anmutig Nobilität,
Herabfallen Federn und Flocken,
San Marcos Uhr sagt: es ist spät;
Die letzten verlorenen Gäste
Erscheinen zum sterbenden Feste.
Im Orchester eine Geige,
Tiefer spielt sie und in Moll,
Die als schwarz maskierter Zeuge
Glück und Tod nur streifen soll.
Im alten Palazzo, den Zimmern,
Geht nachts eine Kerze umher,
Die weißbraunen Böden, sie schimmern,
Durch Fenster weht atmend das Meer;
Du siehst die Gemälde von Frauen,
Willst lang in die Spiegel hier schauen.
Aus dem Dunkel einer Ecke
Stumm die schwarze Maske tritt,
Von der hohen, bleichen Decke
Flüstert leise: nimm mich mit.
Geboren, gehen wir dem Tod entgegen,
Erst hüpfend, später ernsthaft, schließlich müd,
Wir werden uns, am Ziel von allen Wegen,
In einen dunklen Garten legen,
Wo alle Rosen schon verblüht.
Es weht kein Hauch in dieser Abendstille,
Kein Vogel singt ein letztes leises Lied,
Ein Engel nur, so meint der Lebenswille,
Gehüllt in lichte Strahlenfülle,
Durch welke Sträucher auf uns sieht.
Er schaut uns an, er möcht uns vieles sagen,
Wohin er uns geleitet, wer wir sind,
Wir trauen uns, erschreckt von Seelenplagen,
So tiefe Dinge ihn nicht fragen
Und fürchten uns wie einst als Kind.
Dann wird es Nacht, die siebentausend Sterne,
Die unterschiedlich hell dort oben stehn,
Sie leuchten näher nun, wir wollten gerne
In diese grenzenlose Ferne
Auf ewig selbstvergessen sehn.
Was war, was sein wird, wir, woher wir kommen,
Es wird vor dieser Pracht bedeutungslos,
Es schlägt kein Herz mehr ängstlich und beklommen,
Der Schuldgeist wird uns sanft genommen,
Dann gibt es diese Ruhe bloß.
Wie ist der Tod voll Bitternis,
Voll Kummer, Not und Schmerzen,
Und ist der Weg auch ungewiss:
Ein Trost bleibt mir im Herzen.
*
Und reißt er heut das Band entzwei,
Das hier uns fest verbunden,
Dein Engel eilt ans Grab herbei
Und heilt mir sanft die Wunden.
Schon morgen werd ich bei dir stehn,
Du wirst mich dort empfangen:
Wohin wir mit Vertrauen sehn,
Bist du vorausgegangen.
*
Nun steh ich hier am Grab allein
Und weine bittre Zähren
Und jede möcht ein Tropfen sein,
Das Hoffnungsbild zu nähren.
PS: Die ergreifend schöne Bach-Kantate inspirierte mich dazu, einmal selbst einige Strophen zu schreiben, die sich als Kantatentext eignen würden; jetzt fehlt nur noch der Meister, sie zu vertonen…
War immer guter Christenbrauch,
Nach erstem Frost und Nebelhauch,
Beim Blattfall alter Buchen
Die Gräber zu besuchen.
So säkular die Kirchen sind
Und für Novemberschönheit blind,
In einzelnen Kapellen,
An wirklich raren Stellen,
Sieht man noch einen Totentanz
Und fühlt den Sinn des Friedhofs ganz,
Zu jedem Bild, das blieben,
Naiv ein Vers geschrieben.
Man sieht den Kaufmann, sieht den Abt,
Die sich der Knochentänzer schnappt,
Und selbst den tapfren Ritter
Bittet zum Tanz der Schnitter.
Aus allen Ständen lud er ein,
Wer würde es wohl heute sein,
Gemalt in seinen Sünden,
Wert, einen Platz zu finden?
Vielleicht der Fernsehjournalist,
Der mit verschiednen Maßen misst,
Politiker, die lachen,
Versprechen große Sachen
Und denen nach der nächsten Wahl
Dann alles schnuppe und egal,
Am Ende gar ein Richter,
Der schont die Bösewichter?
Er hätt ein reiches Angebot,
Mit jedem tanzt einmal der Tod,
Nur er kennt Ort und Stunde,
Spricht keinem nach dem Munde…