Postmichelbrunnen, Esslingen am Neckar, Quelle: commons.wikimedia.org
Der Postmichel
Die Sage ist fünfhundert Jahr alt,
Ein Brunnen erinnert an die:
Vier Bilder erzählen den Inhalt,
Der Reiter verkörpert sie.
In Esslingen, Reichsstadt am Neckar,
Trug alles sich wahrhaft zu,
Bläst stumm er sein Posthorn noch immer,
Doch hat seine Seele längst Ruh…
Erstes Bild
Er fand einen Ring grad am Wege,
Den täglich als Bote er ritt,
Aus Gold! Und da weitum nichts rege,
Da nahm er ihn arglos mit.
Er steckte ihn treu an den Finger,
Hätt besser dies nie getan,
Gewohnt nicht als Postüberbringer
Zu fragen, ob Böses daran.
Zweites Bild
Zurück in der Botenherberge,
Bevor er wollt melden den Fund,
Geschah‘s, dass ein Knecht ihn bemerke,
Der tat’s gleich dem Stadtrat kund.
Der Ring einem Bürger gehörte,
Ermordet vor zween Jahr:
Am Fundort! Das Siegel er führte –
So ist auch sein Mörder nun klar.
Drittes Bild
Ins Wolfstor gesperrt und gefoltert,
Gestand er laut schreiend die Tat,
Nicht weil er’s gewesen, er poltert –
Aus Schmerzen! Doch eins erbat:
Noch einmal das Posthorn hier blasen
Und reitend auf seinem Pferd…
Man billigt’s, den Henker soll’s spaßen,
Dann fiel ihm das Haupt tot zur Erd.
Viertes Bild
Und vor Michaeli nun immer
Zur Nachtzeit ertönte der Ruf,
Ein kopfloser Reiter, noch schlimmer,
Erschien in des Reichen Hof!
Sein Neffe und Erbe bewohnt ihn,
Doch sauer dem schmeckt das Brot,
Sein schlechtes Gewissen nicht schont ihn,
Da beichtet er kurz vor dem Tod…
Epilog
Es plätschert im Brunnen das Wasser
So sauber und klar und so rein,
Der Makel ist von ihm gewaschen:
Hoch steht er auf festem Stein.
Die Nachwelt weiß Unschuld zu schätzen,
„Zum Postmichel“ heißt ein Haus,
Setzt Denkmäler schamhaft auf Plätzen –
Am Bösewicht schweigt sie sich aus.
©Wolfregen
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