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Maximilian Hannel: Eleonore von Schwarzenberg mit Sohn (1727)

Maximilian Hannel: Eleonore von Schwarzenberg mit Sohn (1727)

Das schwarze Schloss

Ein Licht brennt noch oben im Schlosse,
Dem Grablicht gleich, wenn man so will,
Verwaist sind die dunklen Geschosse,
Hier unten ist alles ganz still.

Vom Städtchen aus schaut man mit Schauder
Den Schlossberg, den steilen, hinauf,
Die Herrin, so geht das Geplauder,
Sei nächtelang einsam dort auf.

Des Nachts geht sie durch die Gemächer
Und trauert um Jugend und Mann,
Die Schlaflose hält einen Fächer,
Hat eins ihrer Ballkleider an.

Sie wandelt dort blutleer und hager,
Ist kränklich, leicht reizbar und blass,
Nimmt Walrat und bleibt dennoch mager,
Trinkt Wolfsmilch und wer weiß noch, was.

Den Untoten gleicht sie, die Müde,
Die Lebendem jagt hinterher,
Gesundheit, Vergnüglichkeit, Friede
Erlangt sie mit Künsten nicht mehr.

Der Alp schleicht wie bleiche Gespenster
In harmlose Träume sich ein,
Er sieht durch Gardinen und Fenster
Wie Mondes betörender Schein.

Es ticken die goldensten Uhren
Im nämlichen sterblichen Takt,
Am Ziffernblatt fehlen die Spuren,
Der Zeiger blieb stehn, wie man sagt.

Man hat schon bei Lebzeit der Dame
Sich allerlei Unfug erzählt,
Die Gruft, die sie birgt, schmückt kein Name,
Die Nachwelt erst hat sie gepfählt…

©Wolfregen