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anonym: Junge Frau bei Kerzenlicht (19. Jh.)

Worte der Stille

Die Schatten verschlingen das Licht,
Im Dunkel ein helles Gesicht:
Ich bin es, die leis zu dir spricht,
Kein Sterbliches hat mich geboren.
Solang noch eine Kerze brennt,
Dein Tisch ein Gegenüber kennt,
Mein Mund vertraute Namen nennt,
Solang ist nicht alles verloren.

Ich glaube nicht tot an das Nichts,
Du spürst‘s an der Flamme des Lichts
Und hörest‘s im Fluss des Gedichts:
Es gibt ein Geheimnis des Lebens.
Solang du siehst ein Blütenblatt,
Den Himmel über Land und Stadt,
Die Liebe eine Wohnung hat,
Solang ist nicht alles vergebens.

Das Wertlose stirbt und verfällt
Wie Stroh und papiernes Geld,
Es passt zu der Lüge der Welt,
Da wird übervorteilt, betrogen.
Das Schöne, Gute, Edle gar,
Das Hohe kennt nicht Ort und Jahr,
Bleibt immer schön und ewig wahr,
Solang‘s mit dem Herzen gewogen.

©Wolfregen