Schlagwörter
Anekdote, Bonlanden, Dichtung, Erinnerung, Gedicht, Gedichte, Heimat, Lyrik, Poesie, Schlafwandeln, Somnambulismus, Verse

Soma Orlai Petrich: Junge vor dem Zubettgehen
Tante Lotte erzählt vom Schlafwandeln
Der Oma ihr Häusle
War früher nur halb so groß:
Flur, Küche, zwei Zimmer
Und oben das Dachgeschoss;
Der Abort, im Haus nicht vorhanden,
Hat draußen im Garten gestanden…
„Mei Bruder, der Werner,
Hat lang bei der Oma g’wohnt,
Glei‘ unterm Dach hat er sei‘ Zimmer g’hett
Und manchmal im Winter
Lag Schnee auf em Bett.“
„Und einmal hat’s klopft in der Nacht
Und d’Oma – wer isch‘s denn? – hat d’Tür aufgemacht:
Na isch’s der Werner g’wesa!
Und wie er da nauskommt, hat sen g’fragt;
Sei schlafwandla g’wesa, hat er g’sagt.“
„Sei übers Fenster und ‘s Dach
In Garta ganga, jetzt sei er wach;
Sind ganz verschrocka.
Erst später, weiß net, wie viel Jahr,
Hat er g’sagt, wie’s wirklich war.“
„Aufs Klo hat er müssa und s’war kalt,
Na hat er nunterg’soichat halt
In Garta vom Fenster aus;
Na sei er ins Rutscha komma,
Da Schlüssel hat er net mitgenomma…“
„Der Harold hat später
Die ander Haushälfte baut,
Is ei’zoga oba
Mi’m Emile, seiner Braut;
Nachts musst ma’s au nimmer verheba,
Im Haus hat’s Toiletta dann geba.“
©Wolfregen
PS: wer Tante Lotte noch nicht ganz verstehen kann, hier wieder einige Übersetzungen ins Hochdeutsche:
„mei“=mein, „g’wohnt“=gewohnt, „glei‘ unterm“=direkt unter dem, „sei‘ Zimmer g’hett“=seinen Schlafraum gehabt, „auf em“=auf dem, „hat’s klopft“=klopfte es, „d’Oma“=die Oma, „wer isch‘s denn?“=wer ist es?, „d’Tür“=die Haustür, „na isch’s g’wesa“=dann war es, „wie er da nauskommt“=wie er hinausgelangt sei, „hat sen g’fragt“=fragte sie ihn, „schlafwandla g’wesa“=habe schlafgewandelt, „g’sagt“=gesagt, „‘s Dach“=das Dach, „in Garta ganga“=in den Garten gegangen, „verschrocka“=erschrocken, „net“=nicht, „wie viel Jahr“=wie viele Jahre, „wie’s wirklich“=wie es tatsächlich, „müssa“=müssen, „s’war“=es war, „na hat er nunterg’soichat“=dann urinierte er vom Fensterbrett, „ins Rutscha komma“=ins Rutschen gekommen, „da“=den, „net mitgenomma“=nicht mitgenommen, „die ander“=die andere, „is ei’zoga oba“=zog oben ein, „mi’m Emile“=mit seiner Frau Emilie, „musst ma’s au nimmer verheba“=musste man auch nicht mehr den Miktions- oder Defäkationsdrang unterdrücken, „im Haus hat’s Toiletta dann geba“=dann wurden Wassertoiletten im Haus installiert
Ja, so war das früher! Entweder Nachttopf unter dem Bett oder raus aus dem Haus zum Plumpsklo um die Ecke.
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Das Plumpsklo um die Ecke ist mir auch noch in dunkler Erinnerung… Es lebe der Wohlstand und wenn es im Sinne einer vernünftigen Toilette sei.
Herzlichst
Anna-Lena
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Dann doch lieber raus (oder runter)…
Herzliche Grüße
Wolfregen
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Im Winter war das nicht immer möglich!
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Da kommen Erinnerungen sprachlicher Art auf. Hab im „Ländle“ studiert.
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Sehr schön, Grüße von dort…
Wolfregen
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Ein tolles Gedicht! Mich würde interessieren, ob da eine tiefergehende Botschaft hintersteckt… Ich könnte mir vorstellen, dass es den voranschreitenden Luxus in Europa darstellt… Zugleich in Verbindung mit einer -in der Erinnerung- heilen Kinderwelt (Das Haus der Oma und der Schreibstil) wirkt das nicht unbedingt unkritisch. Gefällt mir sehr gut.
Grüße
Gerry Huster
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Vielen Dank für den Kommentar!
Tatsächlich haben viele meiner Gedichte eine „tiefergehende Botschaft“ – hier ausnahmsweise einmal nicht; dafür ist das Erzählte, so schräg es sich auch anhört, wahr, also wirklich geschehen…
Herzliche Grüße
Wolfregen
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