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Carl Spitzweg: Der arme Poet (1839)

Carl Spitzweg: Der arme Poet (1839)

Schaffenspause

Was eine Reha-Woche doch vermag,
Fern von Beamtendaseins Bürotag!
Er saß im Stuhlkreis, fühlte nahes Glück
Wie einst in butterweichen Jünglingsjahren
Mit offnem Mund und eingedrehtem Blick,
Nicht ganz so schlank mehr, nicht mit vollen Haaren.

Die Formulierung, gar mit Reim, gelang:
Zustimmung, Lächeln, die ins Herz ihm drang.
Am Abend schrieb er sich das Verslein auf,
Verliebt, und er beschloss, Poet zu werden –
So nahm das Dichterdrama seinen Lauf,
Verließ den Kurort, nicht mehr Mensch auf Erden.

Nun war das Schreiben seine Sache nicht,
Noch weniger ein stimmiges Gedicht.
Egal, der alberne Entschluss stand fest,
Mit Kühnheit will er Pegasus bezwingen,
Wenn der ihn auch nur hoppelnd reiten lässt,
Für ihn sind’s Götterwerke, die hier klingen.

Die Ehefrau, sie kann’s schon nicht mehr hörn,
Geht aus dem Haus, will er Apoll beschwörn.
In Künstlerpose steht er murmelnd da,
Einstieg und Auftakt sind ihm gut gelungen,
Doch kommt kein Reim dem erstgebrauchten nah,
So kappt er Silben wieder, reimt umschlungen.

Verfolgt den Redakteur vom Käseblatt
Mit Abort-Strophen durch die halbe Stadt.
Er schickt den immer gleichen, müden Seich,
Der das Gemeinte dennoch nie kann treffen,
An Prominente mit der Aufschrift: Gleich!
Beginnt die großen Dichter nachzuäffen.

Heut Morgen aber wirkt er sehr verhockt,
Nichts fällt ihm ein, die trübe Muse stockt.
Die Finger divenhaft auf roter Stirn,
Denkt er an Rilkes Turm und Goethes Klause
Und tröstet so sein zweifelndes Gehirn:
Die hatten sicher auch mal Schaffenspause.

©Wolfregen